Prof. Dr. Thomas Schwartz:
Meditation zur Osternacht 2025: Das Licht der Osterkerze – Zeichen der Hoffnung und der Verletzlichkeit
Einleitung
In der Stille der Osternacht versammeln wir uns im Dunkeln, das uns umgibt wie eine Decke aus Fragen, Zweifeln und Ungewissheiten. Doch dann entzündet sich ein einziges Licht – die Osterkerze. Sie durchbricht die Finsternis, nicht wie ein greller Blitz, sondern wie ein sanftes, aber beständiges Flackern. Dieses Licht ist ein Bild unseres Glaubens: hell und hoffnungsvoll, aber auch zerbrechlich, immer in Gefahr, vom Wind des Lebens ausgeblasen zu werden. In dieser Osternacht wollen wir der Osterkerze nachspüren, ihrem Leuchten, ihrer Wärme und ihrer Verletzlichkeit – und darin die Gegenwart des Auferstandenen erkennen, wie es im Exsultet, dem Osterlob, besungen wird.
Das Entzünden: Ein Funke in der Dunkelheit: „Lumen Christi – Deo gratias!“
Die Osterkerze wird am Osterfeuer entzündet. Ein kleiner Funke genügt, um das Wachs zu entflammen. So ist auch unser Glaube oft nur ein zarter Schein inmitten einer Welt, die von Krisen, Krieg und Sinnlosigkeit geprägt ist. Vielleicht fühlt sich unser Vertrauen auf Gott manchmal an wie dieses erste Aufflackern: unsicher, als könnte es jeden Moment erlöschen.
Doch die Osterbotschaft sagt uns: Gott lässt sich nicht auslöschen. Selbst der Tod konnte Christus nicht verschlingen. Die Kerze brennt weiter, auch wenn sie flackert. So dürfen auch wir unseren Glauben halten, selbst wenn er manchmal nur noch wie ein schwaches Glimmen scheint.
Die Zeichen auf der Osterkerze: Verwundbar und doch stark
Auf der Osterkerze sind Kreuz, Alpha und Omega sowie die Jahreszahl eingeritzt. Diese Zeichen erzählen von einem Gott, der sich in die Geschichte einprägt – in unsere Freuden und Wunden. Das Kreuz erinnert uns daran: Der Auferstandene trägt die Nägelmale noch an seinem Leib. Sein Licht ist kein unberührtes, makelloses Strahlen, sondern eines, das die Spuren des Leidens kennt.
Im Exsultet wird die Kerze als „Licht, das nicht mehr untergeht“ besungen – und doch ist sie aus vergänglichem Wachs. Diese Spannung zwischen Ewigkeit und Vergänglichkeit, zwischen göttlicher Verheißung und menschlicher Zerbrechlichkeit, durchzieht den ganzen Lobpreis. Die Osterkerze ist nicht nur Symbol, sie wird selbst zum liturgischen Akteur: „Ihr Licht strahlt, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht.“
Auch unser Glaube ist nicht frei von Brüchen. Vielleicht haben wir Momente erlebt, in denen wir an Gott gezweifelt haben, in denen sein Licht uns fern schien. Doch gerade darin zeigt sich die Wahrheit der Osterkerze: Sie brennt nicht, weil sie perfekt ist, sondern weil sie entzündet wurde – von einer Liebe, die stärker ist als der Tod.
Das Weitergeben: Ein Licht, das sich vermehrt, indem es sich verschenkt
Nun wird die Flamme der Osterkerze weitergegeben. Ein Licht entzündet das andere, ohne selbst schwächer zu werden. So ist auch der Glaube: Er wächst, indem wir ihn teilen. Doch zugleich spüren wir, wie zerbrechlich dieser Akt ist. Ein Windhauch, eine unachtsame Bewegung – und die Flamme erlischt.
Das Exsultet preist diese Dynamik des Teilens, wenn es von der „seligen Nacht“ spricht, in der „das Licht die Finsternis vertreibt“. Die Weitergabe des Lichtes ist kein Verlust, sondern eine Ausbreitung der österlichen Freude. Zugleich erinnert uns der feierliche Gesang daran, wie kostbar dieses Licht ist: Es ist nicht selbstverständlich, sondern Geschenk und Auftrag zugleich.
Das erinnert uns daran, wie behutsam wir mit unserem Glauben und dem der anderen umgehen müssen. Manchmal braucht es den Schutz der Hand, die die Flamme schirmt. Manchmal braucht es Mut, sie dennoch in die Dunkelheit zu tragen. Die Osterkerze lehrt uns: Glaube ist nicht selbstverständlich. Er muss gepflegt, geschützt und immer wieder neu entfacht werden.
Die Kerze in der Gemeinschaft: Getragen von vielen Händen
Nun steht die Osterkerze im Mittelpunkt, umgeben von unseren kleinen Lichtern. Sie ist nicht allein – und auch wir sind es nicht. In der Gemeinschaft der Gläubigen wird der Glaube stärker, ohne seine Verletzlichkeit zu verlieren. Wir spüren: Es gibt Tage, an denen unser eigenes Licht fast erloschen wäre – doch das Licht der anderen hat uns getragen.
Das Exsultet ruft die ganze Schöpfung zum Lobpreis auf – Engel, Menschen, die Erde selbst. Die Osterkerze steht nicht isoliert, sie ist eingebettet in einen Kosmos der Freude. So sind auch wir als Glaubende nie allein, sondern Teil eines großen Chorals, der durch die Zeiten hallt.
So wie die Osterkerze in der Kirche ihren Platz hat, so hat auch unser Glaube einen Ort: mitten in der Welt, zwischen Freude und Leid, zwischen Zweifel und Gewissheit. Wir dürfen uns an diesem Licht ausrichten, selbst wenn unsere eigenen Flammen manchmal nur schwach brennen.
Die Kerze als Zeichen der Hoffnung: Auch im Vergehen bleibt die Verheißung
Am Ende der Osternacht wird die Osterkerze ihren Platz am Osterleuchter finden. Sie wird langsam herunterbrennen, Woche für Woche. Doch ihr Licht bleibt gegenwärtig – in den Herzen derer, die es empfangen haben.
Das Exsultet endet mit einem Blick auf die Ewigkeit: „O wahrhaft selige Nacht, die allein die Stunde kannte, da Christus erstand von den Toten!“ Die Osterkerze ist somit nicht nur Erinnerung, sondern Vorwegnahme – ein kleines Stück unvergänglichen Lichtes in unserer vergänglichen Welt.
Unser Glaube ist wie diese Kerze: Er verändert sich, er wird manchmal kleiner, manchmal größer. Aber er ist nie ganz weg. Selbst wenn die Kerze einmal ausgeht, bleibt das Versprechen: Das Licht der Auferstehung lässt sich nicht für immer auslöschen.
Abschluss
In dieser Osternacht dürfen wir uns an das Licht der Osterkerze halten – als Zeichen eines Glaubens, der hell und hoffnungsvoll leuchtet, aber auch zart und verletzlich ist. Der Lobpreis des Exsultet hat uns die Tiefe dieser Symbolik erschlossen: Die Kerze ist nicht nur Zeichen, sie ist Teil der Heilsgeschichte selbst. Möge dieses Licht uns durch die Freuden und Herausforderungen des Lebens begleiten und uns immer neu an die Verheißung der Auferstehung erinnern:
„Christus, das Licht der Welt – Dein Licht leuchtet in der Dunkelheit, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“
Amen.


