Prior Prof. Dr. Thomas Schwartz:
Meditation zum Gründonnerstag: „Das Brot, das uns zum Mahl des ewigen Lebens versammelt“
Das Geheimnis eines kleinen Brotes
Was kann ein kleines Stück Brot schon ausrichten? Eine Hostie – so leicht, dass sie auf der Hand kaum zu spüren ist, so unscheinbar, dass sie zwischen den Fingern verschwinden könnte. Und doch versammeln wir uns heute Abend um genau die-ses Brot – weil wir glauben, dass in dieser kleinen Gestalt der Hunger der ganzen Welt gestillt wird. Nicht der Hunger nach bloßer Nahrung, sondern der tiefere Hunger – nach Sinn, nach Vergebung, nach einer Heimat, die nicht vergeht.
Heute, am Abend vor seinem Leiden, hat Jesus dieses Mahl eingesetzt. Er nahm Brot, dankte, brach es und gab es seinen Jüngern – und in diesem einfachen Zei-chen verbarg sich das ganze Geheimnis seiner Gegenwart. Ebenso nahm er den Kelch – nicht als Zeichen der Trauer, sondern als Bund des neuen Lebens. Wa-rum? Weil Gott uns nicht nur Worte schenken, sondern sich selbst geben wollte – nicht nur als Lehre, sondern als Speise.
Das Brot: Die Demut Gottes, die unseren Hunger stillt
„Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“
Ein Brot wird gebrochen und geteilt. So offenbart sich Gott: nicht in donnernder Macht, sondern in der zerbrechlichen Gestalt des Weizens. Er könnte kommen wie ein Herrscher, der die Welt mit Stärke überwältigt – doch er wählt den Weg der kleinen, unscheinbaren Hostie. Warum?
Weil Gott unsere wahre Not kennt. Der Mensch hungert nicht nur nach Brot, sondern nach einer Liebe, die ihn trägt; nach einem Sinn, der über den Tod hin-ausreicht. Alles in dieser Welt ist vergänglich – aber dieses Brot ist anders. Es ist „Himmelsbrot“, wie die Väter es nannten – nicht, weil es magisch wäre, sondern weil es uns den schmecken lässt, der gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern.“ (Joh 6,35)
Und doch: Dieses Brot wird gebrochen. Es ist nicht nur Gabe, sondern Hingabe. Jesus gibt nicht etwas – er gibt sich. In jeder Eucharistie wird dieses Geheimnis neu gegenwärtig: Gott teilt sich uns mit, damit wir Anteil bekommen an seinem Leben.
Der Kelch: Das Blut, das zur Gemeinschaft befreit
„Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“
Der Wein im Kelch – Zeichen der Freude, aber auch des Leidens. Jesus hätte ein Mahl stiften können, das nur an seine Worte erinnert. Aber er gibt uns mehr: sein Blut, das heißt sein Leben, hingegeben „für alle“.
Das ist das Unfassbare: Gottes Liebe ist keine abstrakte Idee. Sie ist so konkret, dass sie bis in den Tod geht. Der Kelch erinnert uns daran, dass Vergebung nicht billig ist – sie kostet das Leben des Sohnes. Aber sie ist da. Immer. Für jeden.
Und zugleich ist dieser Kelch ein Bundeszeichen. Wie einst Israel am Sinai durch das Blut des Bundes (Ex 24) Gottes Volk wurde, so werden wir jetzt durch Christi Blut zur Kirche, zur Gemeinschaft der Erlösten. Wir trinken nicht allein – wir trin-ken zusammen, als Glieder eines Leibes.
Das Mahl: Wo die Kirche zur Familie wird
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“
Jesus hat das Abendmahl nicht als privates Ritual gestiftet, sondern als Mahl der Gemeinde. Wenn wir Eucharistie feiern, geschieht mehr, als wir sehen:
– Wir werden eins mit Christus – nicht nur spirituell, sondern wirklich. Augustinus sagt: „Wer Christi Fleisch isst, wird zu dem, was er isst.“
– Wir werden eins miteinander – denn ein Brot, ein Leib sind wir (1 Kor 10,17). Die Eucharistie ist die Seele der Kirche.
– Wir werden Zeugen für die Welt – denn eine Gemeinde, die sich um den Tisch des Herrn versammelt, ist Sauerteig der Liebe in einer gespaltenen Welt.
Heute waschen wir auch die Füße – wie Jesus es tat. Denn dieses Mahl macht uns nicht nur satt, es macht uns demütig. Wer von Christus isst, lernt, wie er zu dienen.
Ein Mahl für die Hungrigen
Dieses kleine Brot ist die Antwort auf den großen Hunger der Welt. Hier, in dieser Hostie, ist der, der gesagt hat: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben.“ (Joh 6,54)
Wir gehen heute nicht satt nach Hause – wir gehen gestärkt in eine Welt, die nach Brot lechzt. Viele suchen Sinn in Geld, Macht, Vergnügen – und bleiben hungrig. Aber wir kennen den Tisch, an dem der wahre Hunger gestillt wird.
Möge diese Eucharistie uns verwandeln – in Menschen, die nicht nur Brot emp-fangen, sondern selbst Brot werden für andere. Denn das ist das Geheimnis des Gründonnerstags: Gott wird klein, um uns groß zu machen. Er gibt sich als Speise, damit wir für immer satt werden.
Amen.


